10.10.2022

Teure Kitas dämpfen die Nachfrage

Arbeitsleben

Der Aargau hat ein breites Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung. Dieses wird allerdings unterdurchschnittlich genutzt. Politiker*innen fordern jetzt eine Neuregelung der Finanzierung.

Die Aargauer Regierung hat erkannt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im Programm Aargau 2030 schreibt sie: «In den Aargauer Gemeinden, insbesondere in den regionalen Zentren, soll ein interkantonal wettbewerbsfähiges Angebot an familien- und schulergänzender Kinderbetreuung mitinitiiert werden. Mit einem bedarfsgerecht und bezahlbar ausgestalteten Betreuungsangebot kann das in der ansässigen Bevölkerung vorhandene Fachkräftepotenzial besser genutzt werden.» Bereits 2019 ortete der Regierungsrat ein «grösseres Aufholpotenzial».

Aargauer Frauen weniger erwerbstätig

Das Programm zur Stärkung des Wohn- und Wirtschaftsstandorts nimmt damit Erkenntnisse aus der Regionalstudie «Aargau» 2020 der Credit Suisse (CS) auf. Diese zeigt, dass 2019 zwar 83 Prozent der Frauen im Erwerbsalter mit Kindern unter 15 Jahren aktiv am Arbeitsmarkt teilnahmen, was dem Schweizer Schnitt entspricht. Hingegen arbeiteten überdurchschnittlich viele Mütter Teilzeit (89%, CH-Mittelwert = 81%), und dies in überdurchschnittlich tiefen Pensen (43% mit Pensum unter 40%, CH-Mittelwert = 34%).

Das Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung sei eigentlich gross genug: «Laut Erhebung der Credit Suisse gab es Mitte 2020 rund 195 Kindertagesstätten im Kanton, verteilt auf 116 Gemeinden, wobei die überwiegende Mehrheit noch freie Plätze hat.» Die mangelnde Nachfrage zeigt sich wieder in einem schweizweiten Vergleich: 2018 nahmen 29% der Aargauer Haushalte ein institutionelles Kinderbetreuungsangebot in Anspruch, im Landesmittel waren es 40%.

Lieber die Grosseltern als die Krippe

Ein häufig genannter Grund, dass im Aargau überdurchschnittlich oft die Grosseltern einspringen müssen, sind laut der Studie die hohen Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung. Daran müssen sich die Gemeinden beteiligen, und zwar je nach Familieneinkommen. Ein Vergleich ist kompliziert, denn welches das massgebende Einkommen ist, wo die untere Grenze für eine Beteiligung liegt und wie hoch die Subventionen maximal ausfallen, bestimmt jede Gemeinde selbst. Für zwei Tagen Krippe pro Woche belaufen sich die Kosten bei hohen Einkommen bald einmal auf über 10'000 Franken pro Jahr. Damit übersteigen sie den maximalen Steuerabzug, den der Aargau gewährt – und dieser wird bei Teilzeitpensen proportional gekürzt. (Hier geht’s zum Merkblatt Kinderbetreuungskosten des kantonalen Steueramts.)

Bezüglich Kostenproblematik ist die Politik aktiv geworden. In einem parlamentarischen Vorstoss vom Juni 2022 fordern Grossrät*innen verschiedener Parteien eine Anpassung der Finanzierung im Kinderbetreuungsgesetz. Neu sollen sich Kanton, Gemeinden und Familien je zu einem Drittel an den Betreuungskosten beteiligen. Dies fördere «die Erhöhung der Teilzeitpensen für Zweitverdienende». Deren Zusatzverdienst lohne sich im heutigen System kaum; oft wird er für die Betreuungskosten und die wegen der Progression steigenden Einkommenssteuern «weggefressen». Ein einheitliches Finanzierungssystem behandle zudem alle Eltern gleich und entlaste die Gemeinden administrativ. Im Oktober teilte der Regierungsrat mit, zuerst eine 2023 stattfindende Datenerhebung abwarten zu wollen, bevor er «einen Entscheid im Sinn der Motion» treffe.

Kitas und Tagesfamilien finden

Wie sich die Angebotssituation im Aargau zwei Jahre nach der CS-Erhebung präsentiert – der Aargau hat 200 Gemeinden –, ist schwierig zu eruieren. Bei den Krippen bzw. Kindertagesstätten (Kitas) für Babys und Kinder im Vorschulalter bietet die Aargauer Plattform von Kita Suisse einen guten Überblick. Manche Kitas bieten auch einen Hort für Kindergärtler*innen und Primarschüler*innen, wobei diese Aufgabe in der Regel von Institutionen für sogenannte Tagesstrukturen übernommen werden: Die ausserschulische Betreuung findet dann morgen und abends zu Randzeiten, über Mittag mit Essen (Mittagstisch) und ganztags während der Schulferien statt. Eine Alternative zu Kitas, Horten und Tagesstrukturen sind Tagesfamilien und Nannys.

Kinderbetreuungsangebote kann man dank Work Life Aargau auch via Arbeitgeber finden. Einfach den Arbeitgeber aufrufen, auf «Lebenswert» klicken und schon erscheinen die Links zu nahegelegenen Kinderbetreuungsangeboten.

Familienfreundliche Arbeitgeber finden

Im Gegensatz zur familienergänzenden Kinderbetreuung punktet der Aargau bei den familienfreundlichen Arbeitsbedingungen. Laut CS-Regionalstudie genossen 49% der Erwerbstätigen flexible Arbeitszeiten (CH-Mittel = 46%), «und der Anteil der Erwerbstätigen, die bereits 2019 gelegentlich oder regelmässig im Homeoffice arbeiten konnten, ist im Aargau in den meisten Sektoren höher als im Landesdurchschnitt».

Auf Work Life Aargau sind mittlerweile über 1200 Arbeitgeber gelistet. Diese lassen sich hier nach familienfreundlichen Bedingungen filtern. So bezeichnet etwa die Energiedienst Holding ihre «familienfreundliche Unternehmenspolitik durch flexible Arbeitszeiten» als USP. Die Aargauische Kantonalbank bietet «Teilzeit, Jobsharing, mobiles Arbeiten etc.». Und auch Stobag verspricht: «Remote-Work und flexible Arbeitszeitmodelle sind für uns kein Fremdwort!» 

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