21.04.2021

So steht’s um die «Corona-Lernenden»

Arbeitsleben

Den aktuellen Lernenden steckt ein Jahr Covid-19 in den Knochen. Seit Pandemiebeginn misst der LehrstellenPuls regelmässig, mit welchen Einschränkungen Auszubildende und Betriebe konfrontiert sind.

Zwölfmal hat die Professur für Bildungssysteme der ETH Zürich in Kooperation mit der Lehrstellenplattform Yousty die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die berufliche Grundbildung in der Schweiz erhoben. Ein Forschungsteam führt bei Lehrbetrieben in regelmässigen Abständen eine Online-Befragung durch. Die Resultate werden im monatlichen LehrstellenPuls ausgewiesen. Dabei wird den zukünftigen Lernenden (auf Lehrstellensuche), den aktuellen Lernenden und den Lernenden im letzten Lehrjahr der Puls gefühlt und ihre Situation jeweils mit den Vormonaten verglichen.

Die aktuellsten Ergebnisse datieren vom März 2021. Bei der jüngsten Befragungswelle haben 2603 Lehrbetriebe mitgemacht, die insgesamt gut 26‘000 Lehrstellen anbieten. Damit deckt der LehrstellenPuls knapp 3 Prozent aller Lehrbetriebe der Schweiz ab.

  • Zukünftige Lernende:
    Wer jetzt noch keine Lehrstelle für das kommende Lehrjahr ab August 2021 hat, muss sich langsam sputen: 78 Prozent der angebotenen Plätze sind bereits besetzt. Naturgemäss nimmt dieser Anteil von Monat zu Monat zu. Es könnte allerdings sein, dass auch jetzt noch zusätzliche Lehrstellen kurzfristig ausgeschrieben werden. Darauf deutet hin, dass 8 Prozent der Betriebe mehr Lehrstellen als bisher anbieten wollen (69 Prozent haben gleich viele Stellen zu besetzen). Knapp 5 Prozent der Betriebe berichten, dass sie zusätzliche Lehrstellen anbieten für Lernende, die sonst wegen Covid-19 keine Lehrstelle finden würden. Die grössten Chancen haben Jugendliche auf dem Bau, in dieser Branche sind erst 37 Prozent der Lehrstellen vergeben. Am begehrtesten sind Stellen in der Wirtschaft, in der Verwaltung und im Tourismus (zu 90 Prozent besetzt). Dass man eine Schnupperlehre oder ein Bewerbungsgespräch online durchführen muss, ist übrigens eher die Ausnahme: Die Mehrheit der Betriebe lädt die Interessent*innen physisch zu sich ein.
  • Aktuelle Lernende:
    4 von 1000 Lernenden erhielten noch im März keine betriebliche Ausbildung, weil ihre Betriebe – v. a. in der Gastronomie – zwangsgeschlossen waren. Im Vormonat, also vor den ersten Lockerungen nach dem Teil-Shutdown mit stark eingeschränktem Detailhandel, war diese Zahl allerdings dreimal so hoch gewesen (1.2 Prozent). Dieser drastischsten Einschränkung folgen: 3 Prozent mit Hausaufgaben für den betriebspraktischen Teil der Ausbildung, 12 Prozent mit beschränkter Präsenz am Arbeitsplatz, 32 Prozent mit zumindest teilweisem Homeoffice (diese Arbeitsform ist mit 72 Prozent im Berufsfeld Informatik besonders verbreitet) und 87 Prozent mit Anwendungen von Schutzmassnahmen wie Distanz- und Hygieneregeln. Praktisch alle Lernenden waren also ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie von Einschränkungen betroffen. Abgenommen haben in jüngster Zeit die Ausbildungsunterbrüche wegen Quarantäne. Im März gaben noch 15 Prozent der Betriebe an, dass sie Lernende in Quarantäne hatten und 5 Prozent, dass aufgrund dieser Zwangsmassnahme Berufsbildner*innen vorübergehend ausfielen. Knapp zwei Drittel der betroffenen Lernenden konnten während ihrer Quarantäne im Homeoffice arbeiten oder bekamen Hausaufgaben. Die Lehrbetriebe gehen zudem immer noch davon aus, dass sowohl die betriebspraktischen als auch die schulisch-theoretischen Kenntnisse der Jugendlichen seit Pandemiebeginn abgenommen haben.
  • Lernende im letzten Lehrjahr:
    Auf der anderen Seite waren die befragten Lehrbetriebe im März optimistisch, dass die Abschlussprüfungen dieses Jahr regulär durchgeführt werden könnten – und auch sollten. Sie drückten dies auf einer Skala mit maximal 5 Punkten mit einem Durchschnitt von 4.22 Punkten aus. Skeptisch zeigen sie sich, was die Chancengleichheit betrifft (3.85 von 5 Punkten): Mehr als die Hälfte findet, schwächere Lernende bräuchten mehr Zeit und Unterstützung, um den verpassten Stoff nachzuholen. 15 Prozent sind der Meinung, dass dies bis zum Frühsommer, wenn die Prüfungen stattfinden, aus Zeitgründen generell nicht mehr möglich sei.

Im Aargau 1352 Lehrstellen frei

Im Kanton Aargau scheint die Situation für angehende Lernende mit Lehrbeginn August 2021 nicht so schlecht zu ein. Gemäss kantonalem Lehrstellennachweis LENA sind zwar seit Anfang Jahr immer mehr Lehrstellen besetzt als frei, aber ihr Anteil liegt mit aktuell 63.5 Prozent deutlich tiefer als die schweizweit ausgewiesenen 78 Prozent. Zu den Spitzenreitern gehören auch hierzulande Wirtschafts- und Verwaltungsstellen mit 88.8 Prozent und am anderen Ende der Skala der Bau mit einem erst zu 17.7 Prozent vergebenen Lehrstellenangebot. Hinzu kommt, dass seit Anfang Jahr die Gesamtzahl an ausgeschriebenen Lehrstellen stetig zugenommen hat – allein im März waren es mit 3700 fast ein Fünftel mehr verglichen mit dem Vorjahresmonat (davon sind 1352 frei). Auch LENA wird monatlich aktualisiert. Übrigens sind nicht nur hier, sondern auch auf Work Life Aargau offene Lehrstellen zu finden.

Petition gegen die LAP 2021

Gespannt sein darf man auf die anstehenden Lehrabschlussprüfungen von Jugendlichen, denen ein Jahr Pandemie mit den im LehrstellenPuls erhobenen Einschränkungen in den Knochen steckt. Bereits Ende 2021 wurde die schweizweite Online-Petition «Auf das QV verzichten» lanciert. Die Petitionsführer*innen verlangen darin, das Qualifikationsverfahren (QV), sprich die Lehrabschlussprüfungen (LAP) 2021, ganz zu streichen mit der Begründung, der Schulstoff sei verkürzt durchgenommen worden, technische Störungen hätten das Homeschooling erschwert oder mit Masken lasse die Konzentration an der Prüfung nach. «Wir Lernende verspüren einen enormen Druck», heisst es in der Petition, die bis Mitte April 28’700-mal unterschrieben wurde. Die Berufsbildungsverantwortlichen wiesen die Forderung bereits im Januar in der NZZ als unbegründet zurück. Die Kritik richte sich nur an den schulischen Teil der Ausbildung, wobei der betriebliche Teil mindestens die Hälfte des QV ausmache. Zudem wäre ein unvollständiges Berufsbildungszeugnis auf dem Arbeitsmarkt klar weniger wert.

Lesen Sie in unserer Story zum Lehrstellenmarkt, warum sich die Lehrstellensituation laut Experten mittelfristig zuspitzen dürfte.

Autor: CH Media

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